Da sage noch einer, dass man durch ein Brillenputztuch nichts lernen kann. Dieses hier habe ich mir gekauft, weil es mich an mein Psychologiestudium erinnerte. Das harmlose kleine Brillenputztuch zeigt nämlich einen psychologischen Test, den sich ein Mister Stroop ausgedacht hat. Probieren Sie das mal aus und folgen Sie der Anweisung: SAG DIE FARBE, NICHT DAS WORT!
Sie werden merken, dass das nicht so flott durch den Kopf geht, geschweige denn, wenn Sie es (wie es in einer Testsituation erforderlich ist) laut aussprechen. Warum? Weil das Lesen ein stark automatisierter Prozess ist, der sogar noch etwas stärker ist, als der für das Benennen von Farben. Um aber die Farbe zu benennen, muss dieser Automatismus unterdrückt werden. Das kostet Sekundenbruchteile beim schnellen Reagieren. Man lässt quasi bei Denken und Aussprechen – gerade so wie ein Rennrodler – wertvolle Zeit liegen.
Und wozu ist der Stroop-Test gut? Er gehört zu den Verfahren, die man vor allem in der klinischen, neuropsychologischen Diagnostik des Arbeitsgedächtnisses (liegt im Stirnhirn = präfrontaler Kortex) einsetzt. Das Arbeitsgedächtnis hat eine begrenzte Kapazität, es kann leider nur +/- 7 Einheiten speichern. Deshalb braucht es eine Ausführungsinstanz, die entscheidet, welche der eingehenden Reize wohin gespeichert werden oder ob sie doch nur verworfen werden. Die Ausführungsinstanz daher auf Automatisierung angewiesen, beim Lesen ebenso wie beim Farbenbenennen. Diese Exekutivfunktionen können gestört sein, sobald jemand an einer hirnorganischen Störung leidet – und das kann unter anderem der Stroop-Test aufzeigen.
Ist ja auch einleuchtend, dass man nur mit einem gut funktionierenden Gehirn voll aufmerksam und konzentriert sein kann. Aber Sie haben ja eben gerade den Test auf dem Brillenputztuch gemacht – ist also alles in Ordnung bei Ihnen!!!