Ich sage nicht gerne nein, ich sage lieber ja. Ja zu Dingen, die mir gefallen, ja zum Wetter, egal wie es ist, ja zu Menschen, die bestimmt ganz nett sind, ja zu mir und zum Leben an sich. Im Nein-Sagen bin ich nicht so gut.
In den 1990er Jahren habe ich eine zeitlang im Außendienst gearbeitet. Meine Gastgeber waren häufig so freundlich und boten mir einen Kaffee an – ich rede von Filterkaffe – brrr – und stellten mir einfach eine gefüllte Tasse hin. Sie wussten ja nicht, dass ich diesen Kaffee so gar nicht leiden konnte. Und um das wichtige Gespräch nicht zu stören, habe ich manches Mal das Zeugs mit aller Verachtung getrunken. Ich mochte einfach nicht nein sagen.
Das Nein-Sagen fällt uns Menschen in einigen Lebensbereichen leicht, in anderen richtig schwer. Oft kommt es auf den Adressaten an. Bin ich von der anderen Person abhängig, weil mein Lebensunterhalt daran hängt? Möchte ich jemanden nicht enttäuschen, der sich viel Mühe gegeben hat? Will ich vermeiden, dass jemand schlecht von mir denkt? Will ich lieber kein Aufhebens machen? Diese Fragen aus dem inneren Dialog zeigen, dass es sich um Annahmen über uns und andere handelt, die wir nicht geprüft haben. In meinen späteren Filterkaffee-Situationen habe ich es irgendwann doch geschafft, nein danke zu sagen. Manchmal habe ich eine Erläuterung vorgeschoben, die die Ablehnung sozial verträglicher machte. Aber auch das habe ich irgendwann gelassen und gesagt, dass ich Kaffee einfach nicht mag. Dabei ist keine meiner Befürchtungen eingetreten.
Heikel ist es, wenn wir um etwas gebeten werden und wissen, dass das nicht hinhaut. Da helfen kommunikative Kniffe – ein paar allgemeine Beispiele sind: „Danke schön, aber das muss wohl ohne mich gehen.“ „Ich denke darüber nach und melde mich später noch mal.“ „Ich wünschte, ich könnte, aber es geht einfach nicht.“ Kern dieser Kniffe ist, die verletzenden Kanten des Nein abzupolstern und es in ein scheinbares Ja zu kleiden. Die erste wichtige Komponente ist die freundliche Ansprache, denn die lässt die andere Person gut aussehen. Die zweite wichtige Komponente ist in den Sätzen unsichtbar: Es gibt kein „weil …“. Sie ersparen sich die Rechfertigung. Damit erlauben Sie sich und den anderen keine Lücke in Ihrer Grenzsetzung. Das einfache Nein heißt nicht „einfach“, weil es leicht fällt, sondern weil es nur aus dem einfachen Wort nein besteht – ohne Erklärung und ohne Begründung.
Bei schwierigen Situationen hilft es, sich zuerst die impulsiven Reaktionen und alle Rechtfertigungen aufzuschreiben. Diese Sätze geben Ihnen Einblick in Ihre inneren Bewertungen, die immer emotional aufgeladen sind. Meist mit Angst oder Scham, weil Sie sich weniger wert fühlen. Anschließend notieren Sie, was Sie am Liebsten sagen würden, lassen also Dampf ab. Im dritten Schritt reduzieren Sie, drehen Ihr impulsives Nein auf niedrige Spannung, streichen alles Unwichtige weg und transformieren Ihr Nein in kurze, elegante, positive, hintergründige und gesichtswahrende Sätze. Sprechen Sie zur Übung diese Sätze unbedingt laut aus. So spüren Sie, ob das in der realen Anwendung für Sie funktionieren wird.
Die soziale Kompetenz des Nein-Sagens ist also erlernbar, eine reine Übungssache. Bitte bedenken Sie: Ein Nein zu einer Sache ist ein Ja zu wichtigeren Sachen Ihres Lebens. Das ist wirklich der beste Grund, sich die Mühe des Übens zu machen.