„Da sind wir auf einem guten Weg.“ Wie verstehen Sie den Satz? Ich höre ihn gerade etwas häufiger, und zugleich rätsele ich auch immer mehr, wie er gemeint ist. Ist das eine mutmachende Geste, eine Beschönigung oder eine Nebelkerze? Das Mutmachen lässt sich erkennen, wenn der Satz wirklich authentisch ausgesprochen wurde. Das finde cih okay, denn etwas Zuspruch können wir alle mal gebrauchen.
Bei den anderen Varianten vermute ich vor allem eine gewisse Ratlosigkeit und einen Mangel an Offenheit.
- Ratlosigkeit zu der Frage, wo der Weg beginnt, wie weit wir inzwischen sind und wann wir am Ziel sein werden. Konkrete Angaben dazu fehlen. Wahrscheinlich hinkt der Vergleich mit dem Weg, weil der Prozess, um den es geht, nicht so zu vermessen ist wie es eine Straße, Bahngleise oder ein Radweg sind.
- Und mangelnde Offenheit, weil der Sprecher das fehlende Wissen zum Standort auf dem Weg nicht offenbaren mag, mit Rücksicht auf die anderen, aber auch auf sich selbst. Wer sagt schon gerne, dass er nach Gefühl navigiert, sich mit positiven Gedanken motiviert und nicht weiß, was noch vor ihm und den anderen liegt.
Ich kann mir den Satz vom guten Weg für ein Gespräch über eine langwierige oder schwierige medizinische Behandlung vorstellen, wenn sie außerhalb der typischen medizinischen Erfahrung liegt. Die Patientin möchte wissen, wo sie steht. Die Ärztin kann diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten, weil es nicht vorhersagbar ist, welcher Weg noch vor der Patientin liegt.
Wird diese Unsicherheit zwischen Ärztin und Patientin geteilt, kann der Satz als Kurzformel eingesetzt werden. Dann entstehen Authentizität und Resonanz, ein empathischer Kontakt. Dieser breitet sich vor allem nonverbal als Vertrauen in die ärztliche Behandlung aus und wirkt positiv auf die Heilkraft des eigenen Körpers. Der gute Weg ist dann beides: ärztliche Kunst und optimale Patienten-Compliance.
Es kommt also mal wieder sehr auf den Kontext an und darauf, wie dieser Satz gesagt wird. Oder, bildlicher gesagt: Die Töne machen die Musik.