Der Hamburger Wahlkampf lief 2020 gerade auf Hochtouren. Überall Hinweise auf Kandidaten und Parteien. Ich filterte das heraus, um nicht zu sehr abgelenkt zu sein. Dieses Plakat stand an einer Einmündung, und ich habe dort Vorfahrt zu gewähren. Wenn ich also dahin schaute, war ich vor allem damit befasst, die anderen mit ihren Fahrrädern, Autos oder als Fußgänger einzuschätzen.
Deswegen brauchte ich eine Weile, bis mir die verdeckt wahrgenommene Botschaft bewusst wurde. Hä? Wir haben hier eine PDS? Natürlich nicht, aber um den Baum gebunden kann aus einem bestimmten Winkel die SPD zur PDS werden. So eine Täuschung!
Zum Glück muss ich mich darum nicht kümmern. Ich habe mich nur gewundert, wie lange ich brauchte, um den Kniff bewusst zu erkennen. Bei mindestens drei Gelegenheiten zuvor bemerkte ich eine Irritation, wusste aber nicht warum. Aber dann machte es Klick. Es fühlte sich gut an, dass ich endlich die Ent-Täuschung gefunden hatte.
Dass es diese Zeit brauchte, hat mit der Automatisierung im Handeln und Denken zu tun. Es ist das, was Daniel Kahneman Schnelles Denken nennt. Ich war beim Blick auf die Plakate mit Autofahren beschäftigt, also etwas, was mein Gehirn voll beanspruchte. Der Fokus lag dort, und auch wenn es automatische Abläufe sind, braucht das Gehirn dafür Konzentration.
Für mich bleiben daraus diese Schlussfolgerungen für den Alltag übrig:
Ψ Es lohnt sich, den Irritationen und Intuitionen nachzugehen – es könnte ein wertvoller Hinweis darin stecken. Wenn Sie bemerken, dass Sie einer Illusion erlegen sind, freuen Sie sich daran – dass es eine Täuschung war und dass Sie sie entdeckt haben.
Ψ Und: Automatisiertes Handeln und Denken sind nützlich. Aber machen Sie Automatisches mal anders. Mich bringt schon Zähneputzen mit links statt mit rechts gehörig aus dem Takt. Nach ein paar Malen gelingt es mir deutlich besser, ich habe einen kleinen Erfolg und der wiederum hebt meine Stimmung.