Was meinen Sie: Sind wir auf das, was da noch kommt, vorbereitet? Gerüstet wie Batman, der aus einer tiefen Krise heraus zum Super-Helden wurde?
Keiner von uns ist so ein Super-Held, und auch der Bursche auf dem Foto ist nur eine Eierkerze im Plastikkostüm. Dennoch: Persönliche oder gesundheitliche Krisen kennen viele von uns. Jetzt kommt Covid19 als Naturkatastrophe hinzu. Darauf war niemand vorbereitet, obwohl es in Wissenschaft und Politik schon Jahre früher einige Modellszenarien in genau diese Richtung gab. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Die Überlegung „was da noch kommt“ ist dennoch nicht vergebens. In den großen Spannbreiten zwischen Euphorie und Fatalismus, zwischen Lethargie und Aktionismus ist für jede und jeden von uns viel möglich. Das habe ich selbst ausprobiert.
Als ich Anfang der 1990er als Reha-Managerin in Unternehmen der Metallbranche unterwegs war, traf ich Menschen, die ein schweres Lebensschicksal zu tragen hatten. Diese Jahre waren die wichtigsten meines Berufslebens. Die Männer – es waren meistens Männer – hatten sich mit den Folgen von Querschnittlähmungen, Gliedmaßenverlusten oder Schädelhirnverletzungen zu arrangieren. Andere kämpften mit ihren zerstörten Lungen oder Krebserkrankungen. Alles, was einmal ihr normales Leben war, wurde durch den Unfall oder die Krankheit unwiderruflich weggeblasen. Ich habe von diesem Männern, ihren Frauen und ihren Familien enorm viel gelernt: Wie man mit Würde dieses Leben weiterlebt. Wie man mit den erheblichen Einschränkungen eine eigene Lebensqualität gestaltet. Wie man den Tagen trotzdem Schönes abgewinnt. Wie man das Beste draus macht. Bei diesen Männern und Frauen sah ich Mut, Hingabe, Zuversicht und Akzeptanz. Und ich überlegte oft (und mit großen Zweifeln), ob ich es in einer solchen Situation schaffen würde, so zu sein.
Deshalb befasste ich mich eine Zeitlang mit Was-Wenn-Überlegungen. Ich wollte mich besser auf das, was da noch kommt, vorbereitet fühlen. Meine Erfahrung daraus ist, dass es nur begrenzt nützt. Es kommt wirklich oft ganz anders als erwartet. Mit den Überlegungen gelang es mir aber, nicht völlig überrumpelt und tief geschockt zu sein – ich blieb handlungsfähig. Coolness und Gelassenheit in Krisensituationen erreiche ich jedoch bis heute nicht. Das finde ich auch in Ordnung, denn Krisen bedeuten nun mal per se eine kräftige und über die bisherigen Grenzen gehende Erschütterung.
Auf das, was da noch kommt, ist das Thema der Gruppentreffen, die ich in meiner Praxis in HH-Rissen organisiere, sobald das angesichts des Infektionsgeschehens wieder vertretbar ist. Also vielleicht im Frühsommer 2021? Wir werden sehen. An Privatpersonen adressiert folgen diese Treffen der Tradition der Supervision und sind ein Äquivalent zu meinen MeisterKlassen (Mastermind-Gruppen) im Business-Sektor. Hier wie dort sollten die Mitwirkenden sonst nicht miteinander verbunden sein. Mit meiner gezielten Moderation kommen einander noch Fremde in einen interessanten Austausch zu den für sie wichtigen Lebensthemen. Kopf und Herz sind beteiligt, ebenso Körper, Geist und Seele. Und was die einen berichten, wird von den anderen verwendet, um die eigene Route besser abzustecken und den Weg zu navigieren.
Im Privaten geht es vielleicht ums Älterwerden, um die Veränderungen von Körper und Erleben, um das Akzeptieren oder Übertreten von Grenzen, darum, sich etwas erlauben, sich groß zu machen und zu stärken. Die Treffen, etwa ein Mal im Monat, sind auf Beständigkeit angelegt. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bringt es Resonanz, neue Impulse und konkrete Anregungen zum Handeln. Jede kommt mit ihrem Thema dran und ist zugleich bereit, den anderen zuzuhören und etwas für sie beizutragen. Solche Gespräche sind geradezu ein Grundnahrungsmittel. Wer das nutzt, bleibt in der Krise handlungsfähig und kann souverän reagieren. Und wird sich auf den Rückhalt seiner Auf-das-was-da-noch-kommt-Gruppe verlassen können. Das bringt jeden Menschen wirklich weiter, die eigene Zukunft zu gestalten und zu meistern.