Was ist bloß Convienience? Ich musste nachschlagen und entdeckte, dass es vor allem bei Lebensmitteln verwendet wird und synonym für „Bequemlichkeit“ steht. Ja, das mag ich, ich habe es gerne bequem, weich, gemütlich, hyggelig, kuschelig, warm, süß, …… und während ich so wegdöste zwischen diesen Begriffen, merkte ich gerade noch, wie die Betäubung einsetzte. Ups, was passierte da gerade mit mir? Es ist dieses hier: Ich reduziere mein Denken, akzeptiere, dass meine Probleme irgendwie einfach gelöst werden, spare mir Mühe und Fertigkeiten, bezahle ohne weiteres Überlegen viel Geld dafür, erzeuge Plastikmüll – und tue das immer wieder und wieder und wieder.
Nein, halt stopp. Bequemlichkeit ist schon in Ordnung. Wenn ich eine einfache Umsetzung brauche, weil ich nicht geschickt oder geduldig genug bin, etwas Aufwändiges selbst zu machen. Wenn es wichtige Dinge gibt, die jemand anderes sehr viel besser kann als ich. Dann suche ich Handwerkerinnen oder Fachleute, die meine Wünsche so gut wie möglich erfüllen. Ansonsten bevorzuge ich das DIY. Selbst entscheiden und machen verstehe ich als eine Kulturtechnik. Und merke, dass sie auch mir manchmal verloren geht.
Hier meine neueste Entdeckung als Ersatz für Convienience Food: Ich muss keinen Frischkäse in einer Plastikverpackung kaufen. Sondern ich nehme 10%igen Joghurt aus dem Glas, verrühre darin einen knappen Teelöffel Salz, kippe die Masse in ein Tuch, das ich in ein Sieb über einen Topf gelegt habe. Deckel drauf und für 12 bis 16 Stunden ab in den Kühlschrank. Das Ergebnis ist super: Dazu etwas Schnittlauch vom Balkon geholt und ich habe die ganze Woche sehr leckeren Frischkäse. Das ist komplett Zero Waste, ein Grund mehr, dass ich Convienience-Produkte jetzt nur noch sehr selten verwende.
Tatsächlich bin ich lieber old school unterwegs. Im Coaching mit meinen Klientinnen und Klienten bevorzuge ich das Persönliche, das Sich-in-die-Augen-sehen, sich physisch gegenüber wahrzunehmen. Dass gerade, und besonders durch die Bedingungen der Pandemie, Online-Coaching zunimmt, finde ich in Ordnung und machbar. Mit manchen Klientinnen und Klienten kommuniziere ich vor allem telefonisch oder per E-Mail. Das funktioniert dann gut, wenn wir uns schon eine Weile kennen. Und wenn die Zusammenarbeit auf einer gelungenen ersten persönlichen Begegnung fußt.
Gerade in den Gruppen, die ich als Supervisorin begleite, hat das Persönliche eine Bedeutung, die durch nichts zu ersetzen ist. So eine Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Teile. Und auch wenn sich eine Gruppe mit der Zeit verändert, ist dieses Mehr durch die persönliche Interaktion geschaffen und bleibt als Wert für die Einzelnen erhalten. In Supervisionsgruppen sehe ich es immer wieder: Wie die Mitglieder mit der Energie der Gruppe ihre Kreativität nutzen. Wie sie ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Wie sie neue Perspektiven wahrnehmen. Wie sie vorankommen. Und zugleich gehen sie erfreulich oft wertschätzend und offen miteinander um. Das ist nicht bequem und geht auch nicht ohne Meinungsverschiedenheiten. Die Ergebnisse dieser Mühe aber sind Grund genug, dass ich den un-convienienten Weg wirklich empfehle.
PS: Auf dem Foto sehen Sie den Lebenskünstler Benjamin, der auf einer Finca auf El Hierro seine Bequemlichkeit in der Regenrinne gefunden hat. (Foto: Philip Townsend)