Ach wie schön, es regnet wieder ein wenig. Ich mag die feuchte Luft und den Duft der Erde. Mit allen Sinnen spüre ich, wie das Wasser aufgesogen wird. Nur ich selbst werde nicht so gerne durchgeweicht.
Ja, das wäre schön, wenn man den Regen und andere Einflüsse des Alltags einfach so von sich abperlen lassen könnte. Manchmal gelingt das ja, aber oft genug auch nicht. Und momentan, mit den Beschränkungen, denen wir aus gutem Grund unterliegen, ist es besonders schwer.
Kennen Sie jemanden, der das kann? Das braucht so ein Mensch: Die richtige Oberfläche, an der nichts kleben bleibt. Eine, auf der alles, was darauf prasselt, zu Tropfen wird, die dann hinunter rinnen. Vorbilder in der Natur gibt es genug. Und auch die Lacke und Scheiben der Autos scheinen perfekt dafür ausgestattet zu sein.
Menschen, die in Beziehungsberufen arbeiten, sind den Einflüssen ihrer Kunden in besonderer Weise ausgesetzt. Schüler, Patienten, Pflegebedürftige, Gäste – jede und jeder ist anders, alle haben hohe Erwartungen an ihre Lehrer, Pflegepersonen, Ärzte, Gastgeber, Betreuer. Sie verkraften unzählige Projektionen und wissen, dass es unmöglich ist, alle Anforderungen und Wünsche wirklich und komplett zu erfüllen. Es bleibt einfach etwas offen, eine Lücke, etwas nicht zu Lösendes.
Das abperlen zu lassen, ist nur für einen Teil dieser Projektionen stimmig. Manches muss auch mitgefühlt, mitgetragen werden. Das geht nicht mit dem Selbstanspruch der Perfektion, wie es die Lacke und Scheiben der Autos bieten. Das Beste, was wir dann tun können, ist die Ängste und Zweifel zu akzeptieren, sie anzuerkennen und sich auf sie einzulassen. Denn in schwierigen Situationen sind diese Gefühle ja auch angemessen.
Es ist eine Stärke, etwas nicht perfekt zu machen lassen. Wer lernt, mit dem schmerzlichen Gefühl des Nichtalleskönnens umzugehen, leidet weniger, wenn ihm die nächste Situation voller Ängste und Zweifel bevorsteht. Diese persönliche Demut vor den schwierigen Realitäten lässt Leichtigkeit zu, die ohne Leichtfertigkeit auskommt.