Ach, da habe ich mich gefreut, als ich dieses Bild auf meinem Computer wiederfand. Es ist das Schaufenster vom damaligen Schuster hier im Elbdorf Rissen, das er 2006 dekorierte, als wir das Sommermärchen mit der Fußball-WM in Deutschland hatten. Da muss man zwei Mal hinschauen: Er hat nicht nur die schwarzen Sneaker, sondern auch die Kindergummistiefel, die Herren-Zehentrenner und sogar die roten High-Heels mit Stollen ausgerüstet. Eine amüsante und kreative Idee.
Seitdem ist wirklich viel Zeit vergangen. Die Sommer sind nicht mehr wie damals, und der WM-Fußball sowieso nicht. Das klingt nach „Früher war alles besser“ – was manchmal stimmt, aber manchmal auch nicht. In jedem Fall ist alles, was wir erinnern, absolut subjektiv und einzigartig. Das merken wir, wenn wir uns mit Menschen darüber unterhalten, wie wir eine gemeinsame Unternehmung erlebt haben. Da hat wirklich jeder eine andere Perspektive auf etwas gehabt, das eigentlich doch in sich gleich sein sollte. Liegt das Ereignis schon etwas länger zurück, beschreiben andere Beteiligte Details, die wir selbst überhaupt nicht erinnern. Wir würden sogar behaupten, gar nicht dabei gewesen zu sein.
Erinnerung ist also etwas sehr Besonderes. An manches können wir uns minutiös erinnern, manches ist komplett vorbeigezogen und verschwunden. Die Zeit fühlt sich manchmal lang an (für Kinder die Sommerferien) und manchmal kurz (als Erwachsene sind sechs Wochen im Nu vorbei). Und wir haben die Erinnerung nicht einfach irgendwo in immer derselben Beschaffenheit parat. Tatsächlich müssen wir für das Erinnern neuronale Verbindungen aktivieren, die wir nicht ständig verwenden. Dabei werden Lücken aufgefüllt und Elemente neu verbunden. Neues Erinnern ist wie Möbelrücken auf dem Speicher: Wir schaffen eine neue Kulisse und damit eine eigentlich neue Erinnerung.
Das gewohnte Erinnern kommt aus dem Langzeitgedächtnis. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann meint, dass unser erinnerndes Selbst Geschichten komponiert und sie aufbewahrt, um in Zukunft darauf zurückgreifen zu können. Das ist dann der Schwank aus dem Leben von Opa, den er im immer gleichen Wortlaut erzählt – so, dass wir schon mitsprechen können. Selbst wenn Sie viel jünger und noch längst kein Opa oder keine Oma sind: Sie haben auch schon Ihre Kompositionen von Geschichten im Kopf und werden sie eines Tages als gelungenes Märchen erzählen – hoffentlich!!!