Wie nehmen Sie die Figuren auf dem Familienbrett wahr: Sind sie miteinander verbunden oder ist die kleine Figur von den anderen abgetrennt? Ist sie allein oder ist sie einsam? Und was macht die schwarze Figur im Hintergrund? Das ist das Schöne an dem Familienbrett, dass man endlos viel damit gestalten kann und keine Situation identisch wird.
Das Thema Einsamkeit erlebe ich bei meinen Klient*innen immer ganz einzigartig. Wenn jemand berichtet, allein bzw. einsam zu sein, werde ich ganz langsam und warte erst einmal ab. Es ist keine Situation, aktiv darüber zu diskutieren. Ich fange erst an zu fragen, wenn die Person signalisiert, über ihre Wahrnehmung reflektieren zu wollen. Dann kommen wir ins Gespräch und suchen nach den Möglichkeiten, die diese Person wahrnehmen könnte.
Einsamkeit und Alleinsein sind zwei Themen, die überhaupt nicht neu sind. Die Ideen über eine gute, alte Zeit sind Trugbilder. Menschen jeder Epoche haben vor allem Einsamkeit erlebt und überlegt, wie sie damit umgehen können. Wir blenden das gerne aus und sind dann verwundert darüber, wie sehr das Thema aktuell angesprochen wird. Und das von jüngeren Menschen. Denn gemeinhin wird Einsamkeit vor allem mit älteren Menschen verknüpft und als eine Vorbotin des Sterbens angesehen.
Das Alleinsein dagegen hat an Renommee gewonnen. Als Lebensform der Unabhängigkeit oder als gesuchte Situation, um sich mit eigenen Interessen zu befassen und die Kreativität zu aktivieren. Das funktioniert gut, solange die Lebenslage selbst gewählt wird und unter der eigenen Kontrolle steht. Die Lockdown- und Homeoffice-Situationen in der Covid-Pandemie haben gezeigt, dass das einfacher aussieht als es ist. Wer sich nicht über sich und seine Bedürfnisse im Klaren ist, dem gelingt es auch nicht sicher, die Grenzen zwischen Alleinsein und Einsamkeit zu erkennen. Ist das eine Gelegenheit, sich selbst besser kennen zu lernen – oder ist es ein tiefes Loch, in das man schon gefallen ist?
Schleichend kann Einsamkeit zu einer Gefühlslage werden, die diese Personen sogar inmitten vieler Menschen, Gleichaltriger, Partner*innen und der Familie empfinden. Sie sind zwischen den Figuren in den Gruppen, aber sie sehen eine tiefe Furt zwischen sich und den anderen. Es entsteht das Gefühl, nicht oder nie dazu zu gehören.
Wer so empfindet, ist verunsichert, bekommt Angst und hat viele Fragen: Finde ich je aus dieser Lage heraus? Verdörrt meine Existenz zu einer Wüste? Sind meine Verbindungen zur Welt abgeschnitten? Gibt es nur diese unvorstellbare Einsamkeit? Will ich so überhaupt noch leben?
In solchen Coachings bin ich kein Wissender. Ich kenne keinen eindeutigen, verlässlichen Weg aus dieser Einsamkeit. Was ich tun kann ist, mich als Gesprächspartner zur Verfügung zu stellen, um mit in die Dunkelheit gehen. Und dann darauf zu hoffen, dass es „nur“ ein tiefes Tal ist, aus dem mein Coachee wieder herausfinden wird.