Unsere Hausgemeinschaft hat seit Jahren eine liebenswürdige Gärtnerin. Man sieht ihr die jahrlange harte Arbeit an, aber auch, dass sie liebt, was sie tut. Manchmal ist unsere Gärtnerin genervt, zum Beispiel wenn unser Ahorn erst Ende November seine vielen Blätter abwirft. Denn wenn er das macht, ist das Gärtnerjahr schon vorbei. Sie schimpft leise mit dem Baum, klopft ihm auf die Rinde und macht sich an die Arbeit.
Für unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele sind wir die eigenen Gärtner. Auch wenn der Begriff Kindergarten etwas anderes ausdrückt: Kinder wissen oft genau, was für sie gut ist. Würde man sie lassen und in ihren Ideen unterstützen, würden sie alles Spannende erkunden, ausprobieren lernen und ihre Fähigkeiten trainieren. Kindergarten und Schule verknüpfen Bildung aber auch mit Erziehung, also die Anpassung an die gelten Normen. Früher sagte man noch recht unverblümt: Zucht und Ordnung.
Unsere Persönlichkeit braucht nur zwei gärtnerische Hilfen:
- Das Erlernen von Frustrationstoleranz: Du bekommst nicht immer, was du willst, und da hilft kein lautes Schreien. Das müssen wir schon als Kleinkinder bitter lernen.
- Und den förderlichen Umgang mit dem Selbstwert: Du und alle anderen sind gleich viel wert und es gibt kein allgemeingültiges Maß für einen wertvollen Menschen. Das fangen wir erst im Schulkinderalter an zu lernen, und das ist manchmal schon hart.
Wer das nicht gut genug lernt, erlebt vielfältige Probleme mit seinen Mitmenschen. Und wundert sich, warum ihm sein Leben manchmal so gar nicht gut gelingt. Selbstwertprobleme und Prustrationsintoleranz sind die häufigsten Ursachen für neurotisch-psychische Probleme. Das nachzulernen, ist bisweilen ein mühsamer Prozess.
Der Anfang wäre, wenn wir uns als Person, mit unserem Körper und unserer Persönlichkeit, als einen Garten vorstellen. Mit diesem Bild können wir uns und andere beobachten, uns hinterfragen, nachzulesen, was andere schon für sich herausgefunden und ausprobiert haben. Mit Hingabe und regelmäßiger Pflege erblühen so unsere Fähigkeiten im Zusammenleben mit anderen. So wie unserer Gärtnerin werden wir manchmal schimpfen, wenn etwas nicht klappt oder schon wieder blöd gelaufen ist. Der Garten und das Selbst sind nie fertig, sondern es sind sich ständig verändernde Gebilde. Ich finde, das ist eine gute Nachricht.