Land unter

11. November 2021

Land unter

Am Wochenende gab es in Hamburg ein erstes größeres Herbst-Hochwasser. Die Prognosen über KatWarn waren beunruhigend. Tatsächlich war das Hochwasser dann doch nicht so hoch. Es gab kein so heftiges Land unter so wie auf dem Foto vom Dezember 2013 hier bei Teufelsbrück an der Elbe. Ich habe als Tochter eines Deichschützers gehörigen Respekt vor der Kraft des Winds und des Wassers.

„Land unter“ ist oft die Metapher dafür, dass nichts mehr geht. Gedanken überschlagen sich, aus Sorgen werden immer stärkere Ängste. In der aktuellen Corona-Pandemie und nach den Fluten wie zuletzt im Ahrtal wissen mehr Menschen als früher, wie es einem damit ergehen kann. Das ist der Moment für den Einsatz gut wirkender Übungen aus der Notfallpsychologie. Sie führen den Menschen aus eigener Kraft ins Jetzt zurück.

Folgende Übungen sind Klassiker:

  1. Atmen – Langsam, tief und bewusst einatmen und ausatmen. Wenn Sie dabei die Hände auf den Unterbauch legen, dann spüren Sie, ob Sie richtig atmen: Beim Einatmen wölbt sich der Bauch nach vorne.
  2. Faktencheck – Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre direkte Umgebung. Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen Sie? Und was spüren Sie? Die Antworten geben Sie sich bitte ganz ausdrücklich, und zwar in dieser Art:
    1. Ich sehe einen Baum, ich sehe einen Vogel, ich sehe Wolken, …
    2. Ich höre einen Hund, ich höre eine Hupe, ich höre eine Krähe, …
    3. Ich rieche Gras, ich rieche Brötchen, ich rieche Abgase, ….
    4. Ich spüre den Wind, ich spüre die Wärme, ich spüre den Regen, …

Schon beim Lesen bemerken Sie sicherlich die beruhigende, meditative Wirkung der Übungen. Sie bewirken, dass man in einer Akut-Situation seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnt.

Manche Menschen stellen mit ihren Therapeuten eine Notfallkarte mit den selbst gewählten Anweisungen zusammen. Das kombinieren sie mit ihrem persönlichen Frühwarnsystem. Die erste Aufgabe ist zu bemerken, dass sie in Stress geraten. Das merkt der Körper immer sehr viel schneller als der Verstand. Für das individuelle Frühwarnsystem wird deshalb geübt, auf den Körper zu hören und seine Signale zu bemerken: Ist meine Atmung flacher? Wie ist mein Puls? Schnürt es mir die Luft ab? Das sind somatische Marker, also das „ja“ oder „nein“, das uns unser Körper mitteilt. So beobachtet man die Signale des Körpers, wie sie sich mit Hilfe der personalisierten, regulierenden Übungen verbessert.

Wenn dann das „Land unter“ vorüber ist, ist es schon mal gut. Denn dann kann man mit trockenen Füßen die nächsten, lebensverändernden Schritte machen, um langfristig gegen das Hochwasser seines Lebens vorzugehen.