Diesen Satz hörte ich neulich mal wieder in einem Gespräch. Und so war das auch bei dieser Person: Sie hatte sich beruflich nicht geschont, war bei allem dabei, hatte viele Schwierigkeiten gemeistert und war stolz auf ihre Lebensleistung. Dazu hatte sie auch allen Grund. Dennoch: Jetzt, am Ende des Berufslebens, war sie nicht so rundum zufrieden mit sich, wie sie es sich gedacht hatte. Sondern es kamen ihr Zweifel: War das jetzt alles? War es richtig so? Wie geht es nun weiter?
Diese Fragen konnte sie sich nicht beantworten, und ich als ihr Coach natürlich auch nicht. Aber ich ermutigte sie dazu, den Gedanken weiter nachzugehen und mit innerer Freundlichkeit zu sich selbst zu erkunden, welche Bilder und Antworten in ihrem Geist auftauchen. Es war ihr schon klar, dass es auf die Fragen nicht DIE EINE Antwort geben wird. Es ist ja für uns alle so: Wenn wir einen Weg wählen, wählen wir alle anderen denkbaren Wege nicht. Aber es gilt auch: Wer A sagt, muss nicht zwingend und um jeden Preis B sagen.
Wer durch eine harte Schule gegangen ist, der kennt vor allem die lineare Fortbewegung: Er ist zielstrebig und mit aller Energie auf dem Karriereweg. Manche macht das glücklich – und ganz viele aber nicht. Ich bewundere die Menschen, die das früh erkennen und rechtzeitig auf das zustreben, was sie wirklich mögen. Denn das Leben ist kein Erfolgsprojekt, sondern es geht vor allem darum, es in dieser einzigartigen Zeit gut zu haben: Freundlichen Menschen begegnen, sich Muße und Langsamkeit zu erlauben, das Schöne um uns herum wahrzunehmen und wertzuschätzen, Dinge tun, die man mag,. Schwierigkeiten, harte Nüsse und Krisen kommen ohnehin, und dann werden wir auch kämpfen und streiten und Grenzen ziehen. Warum also den Selbstwert davon abhängig machen, die besonders harte Tour gegangen zu sein?
Wir kamen irgendwann im Gespräch zu dem Ausspruch: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“. Damit konnte meine Zweiflerin etwas anfangen, denn sie hatte sich den Zugang zu ihrem inneren Kind bewahrt. Das fand ich toll und überraschte mich ein wenig. Tatsächlich war das der besondere Impuls, mit dem sie alte Interessen neu beleben und – ganz die Macherin – daraus ein neues Projekt entwerfen konnte. Zugleich spürte sie, dass das geradlinige Streben darin keinen Platz hat, sondern dass ihr weiterer Weg wie ein Fluss in einem breiten Flussbett mäandern wird. Sofort konnte ich an ihrem Gesicht und ihrer Körpersprache sehen, wie sie leichter und beweglicher wurde. Und sie wurde neugierig auf die kommende Zeit, in der sie beides, die Lebensleistung und die Ungewissheit, miteinander verband. Ich bin gespannt, was ich von dieser Person noch hören werde.