Doppelkekse, Sandwichs oder Burger

27. Mai 2021

Doppelkekse, Sandwichs oder Burger

Die einen stehen dazu, einige essen sie heimlich. Und wieder andere versuchen, einen ethisch korrekten Burger zu kreieren, der zu den Werten in punkto Ernährung und Konsum passt. Nun, hier kommt er, der Burger, der allen zusagt: Der Harvard-Burger. Oder auch Sandwich-Methode genannt. Wer mehr zu Süßem neigt, bevorzugt die Bezeichnung Cookie-Lemon-Cookie, also ein gefüllter Doppelkeks. Diese Beschreibung vermittelt direkt eine Idee, worum es geht: Man bekommt erst etwas Süßes, dann etwas Saures, und zum Schluss wieder etwas Süßes.

Hmm, worum geht’s hier? Es geht um: Kritik. Die mag man ja meist nicht so gern, weil sie hervorhebt, was man nicht kann, was man an sich nicht leiden mag oder wofür man sich vielleicht sogar schämt. Das hat definitiv die Geschmacksrichtung sauer. Um das Saure annehmen zu können, hat sich die Strategie bewährt, drumherum das Positive zu packen, etwas Süßes eben.

Beispiel: Ihre Kollegin hat einen Vortrag gehalten. Nun bittet sie Sie um Rückmeldung.
Kritik mit dem Burger:
Süßes: „Mir gefiel, wie du deine Zuhörer direkt angesprochen hast.“
Saures: „Dann fiel mir auf, dass du auf einmal etwas hektisch wurdest und dadurch der bisher so schöne Spannungsbogen abbrach. Das war echt schade. Ich finde, dass du dir die Zeit nehmen kannst, deine Gedanken zu ordnen. Das kommt bei mir nie unsympathisch und sehr selten störend an. Im Gegenteil: Für mich macht dich das als Referentin menschlich und nahbar.“
Süßes: „Insgesamt fand ich deinen Vortrag sehr gelungen, denn du hast mich als Zuhörerin gut mitgenommen.“

Eigentlich ganz einfach, oder? Das Feedback so zu geben macht beiden, dem Kritiker und dem Kritisierten, ein gutes Gefühl. Und es ist keine Lobhudelei, sondern echte Wertschätzung.

Warum das so ist, ist nicht so leicht zu erkennen. Ein Feedback ist immer dann gut, wenn es auf konkrete und veränderbare Einzelheiten abzielt. Im Beispiel Hektik vs. Zeit nehmen – das kann die Kollegin direkt verstehen und beim nächsten Mal gleich verändern. Die Kritik ist auch hilfreich: Den subjektiven Eindruck eines Zuhörers über das, was für ihn z.B. an Sprechpausen akzeptabel ist, finden unroutinierte Redner stets sehr überraschend. Die Kritik gibt zudem keine moralische Bewertung (kein „da merkte man, dass Du Anfängerin bist“) ab und interpretiert nichts (kein „das sah so aus, als hättest Du keine Ahnung von dem Thema“). Wegen solcher Äußerungen ist Kritik so gefürchtet und wird von vielen innerlich schon vorweggenommen. Nein, gute Kritik ist im Ganzen konstruktiv und fördert die Weiterentwicklung zu besseren Fertigkeiten.

Wieso muss man überhaupt über ein gelungenes Feedback länger reden? Weil wir oft anders erzogen sind und weil wir regelmäßig so ganz andere Vorbilder sehen. Manche Talkshows sind ein anschauliches Beispiel, wie man es nicht gut macht. Gezeigt wird großes Geschrei, weil es Quote bringt, denn nur das Drama verkauft sich. Und das ist leider nicht nur laut. Es wird auch noch geätzt, verhöhnt und ausgelacht. Bewertungen, Behauptungen, Abwertungen und Vergleiche zielen auf die Demontage der Kontrahenten. Die Meinung wird als Tatsache dargestellt, und das in einer Schnelligkeit und Art, die kaum Raum zum Hinterfragen lässt. Wer gewinnt, ist der große Hecht, wer unterliegt, wird verfrühstückt, ist beschämt und sinnt auf Rache. Kommen die Streitparteien damit irgendwo hin? Verstehen sie die Anliegen der Gegenseite, auch wenn sie nicht einverstanden sind? Kümmern sie sich ernsthaft um irgendein Problem?

Unser archaisches Gehirn wird in diesen Szenarios in den Gefahrenmodus versetzt, selbst wenn wir nur zuschauen. Deshalb reagiert es mit Kampf, Flucht oder Erstarrung – fight, flight or freeze. Es benötigt sehr viel psychische Energie, um sich nicht mitreißen zu lassen, sondern sich die Zeit nehmen zu überlegen, ob hier wirklich eine Gefahrenlage vorliegt. Meistens ist das nämlich nicht der Fall. Denn Säbelzahntiger sind tatsächlich selten geworden. Und wer schreit, hat nicht Recht, sondern zeigt sich in seiner abstoßenden Gestalt, die aus Angst, Ärger, Gier und Geltungssucht besteht.

Aber vielleicht will er ja nur spielen.