„Ich habe alles auf den Kopf gestellt und es nicht gefunden!“ „Du kannst Dich auf den Kopf stellen, das wird so nichts.“ Die Sache mit dem Kopf verwenden wir, wenn wir eine Sache wirklich von allen Seiten her versucht haben. Und hier im Norden gehen Menschen oder Dinge sogar koppheister, also kopfüber. Damit wird der Sturz beschreiben, bei dem Dinge zerbrechen oder Menschen sich verletzen.
So weit soll es hier nicht gehen. Sondern um die Idee Auf-den-Kopf-stellen, die doch gleich zu einer ganz anderen Perspektive führt. Als Schulkind habe ich gerne Kopfstand oder Handstand gemacht; jetzt gelingt mir das leider nicht mehr ohne Mühe. Dafür bin ich gut darin geworden, die Erlebensperspektive meiner Mitmenschen zu sehen. Und mich dabei darin einzufühlen, wieso diese Sichtweise für sie gut sein könnte. Perspektivwechsel oder Perspektivübernahme heißt das und ist der Königsweg zum gegenseitigen Verstehen. Dabei gilt zu beachten: Verstanden heißt nicht einverstanden. Es kann durchaus dabei bleiben, dass sich Menschen zu einem oder mehreren Punkten nicht einig sind. Das ist ja auch nicht schlimm. Denn es sind doch die vielen Unterschiede, die eine Beziehung zu jemand anderem erst interessant machen.
Bildlicher und greifbarer wird die Perspektivübernahme mit einem Sprichwort, das den Ureinwohnern Amerikas zugeschrieben wird: Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist. Das beschreibt wirklich genau, was alles zu tun ist, um die Sichtweise eines anderen Menschen wirklich zu begreifen. Das komplette Erleben wird so erfahrbar. Praktisch ist das wohl kaum möglich, aber die Mahnung an die Ehrfurcht vor dem Leben und Dasein eines Anderen kann uns trotzdem leiten.
Das zu tun führt zu Empathie und Mitgefühl, also dem, was uns unsere Spiegelneurone bescheren, wenn wir sie lassen. Aber es geht nicht um Mitleid und dem Zerfließen in dem Leiden der Anderen. Das hilft niemandem weiter, sondern lähmt und macht alle handlungsunfähig. Es gilt zu unterscheiden zwischen der Welt der Anderen und der eigenen Welt. Und beide Welten voneinander abzugrenzen. Es ist also die Kunst der Balance zwischen Perspektivwechsel und Abgrenzung, die hilfreiche Helfer ausmacht.
Diese Balance halten ist das zentrale Thema für Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten. Oft treten sie in diese Arbeitswelt mit großem Engagement und laufen ohne gute Interaktion mit Gleichgesinnten in die Burnout-Falle. Da helfen Einzel-Coachings. Besser aber sind Gruppen- und Fall-Supervisionen. Am besten aber sind Mastermind-Gruppen, die für den helfenden oder sozialen Beruf eine Meister-Klasse sind, wie es Musiker in ihrer Profession seit langem vormachen. In diesen Gruppen ist jede für jeden Vorbild, Beispiel, Kritiker, Unterstützer. Der große Vorteil der MeisterKlasse mit Menschen in sozialen Berufen ist der geschützte Rahmen, der langfristige Ansatz und die Steuerung durch Moderation, damit die Gruppe nicht zerfleddert. Wer das einmal genossen hat, weiß um die berufliche Sicherheit, die er durch die MeisterKlasse gewinnt. Denn auch wenn die Welt – wie jetzt – Kopf steht, weiß er, wie er wieder in Balance kommt.