Wer was lässt, wird gelassen

6. August 2020

Wer was lässt, wird gelassen

Das Thema Gelassenheit ist immer wieder Thema meiner Klientinnen und Klienten. „Wie werde ich gelassener, was muss ich tun? Und geht das überhaupt? Schauen Sie sich doch mein Leben und meine Umgebung an: Das ist doch zum aus der Haut fahren!“

Berechtigte Fragen. Und wenn ich in die Lebenswelt mancher Klientinnen und Klienten blicke, weiß ich auch nicht, wie diese Menschen das alles bewältigen. Meine liebe Kollegin L, die längst in Rente ist, hatte zu Beginn des Jahres den Vorsatz, sich nur noch eine Aktivität am Tag vorzunehmen. Doch wenn wir uns sehen, ist sie „on the run“ und erzählt etwas atemlos von immer noch vielen, tollen Dingen, die an den vergangenen Tagen gemacht und an den kommenden Tagen geplant hat. Das mit dem Lassen hat bei ihr noch nicht so gut funktioniert.

Sammeln Sie mal Wörter mit „lassen“.

  • an- und ab-
  • auf- und zu-
  • be- und ent-
  • hinein- und heraus
  • sein- und weg-
  • ein- und er-.

… und einige mehr. Vieler dieser Wörter haben etwas mit Verlust zu tun. Viele andere aber weisen auf einen Gewinn, einen neuen Zugang zum sinnerfüllten Leben. Die „-lassen“- Wörter zeigen, dass wir durch unsere Sprache mit dem „weniger ist mehr“-Prinzip  intuitiv vertraut sind.

Am Beispiel meiner Kollegin L. sehe ich, dass sie einerseits nichts verpassen und andererseits eine gute Freundin sein möchte. Beides erreicht sie. Wenn sie dadurch allerdings erschöpft ist, vermindert das ihren Genuss des Erlebten. Und die Qualität ihrer Freundschaft leidet, wenn sie von anderen nur benutzt wird. L ist sich dessen bewusst, sie ist seit ihrem Vorsatz zu Silvester aufmerksamer und geht mit kleinen Schritten auf ihr Ziel zu.

Gelassenheit erreichen Sie also schrittweise:

  • Sich das Lassen vorzunehmen, ist der erste und gar nicht triviale Schritt. Schreiben Sie sich dazu einen konkreten Satz auf.
  • Der zweite Schritt ist, sich dessen, was Sie alltäglich tun, gewahr zu werden. Hier hilft wieder das Aufschreiben: Was habe ich heute getan und wie geht es mir damit?
  • Das wiederum ist die Grundlage für den dritten Schritt: Überlegen und prüfen Sie: Tue ich, was ich wirklich so will? Erreiche ich damit meine wahren Ziele? Wenn nicht, was ist für mich passender und tut mir wirklich gut?
  • Im vierten Schritt geht es um die kleinen Veränderungen: Das Weglassen in machbaren Schritten. Oder machen Sie Prozesse einfacher: Wie oft muss etwas getan werden (putzen)? Und wer hat die bisherige Regel bestimmt: Sie oder jemand aus Ihrer Vergangenheit? Finden Sie Ihre eigenen Ansprüche und Routinen, die Ihnen genügen. Und nehmen Sie sich dabei auch Zeit für sich, atmen Sie durch, lassen den Blick schweifen und machen Sie einfach ….. nichts.
  • Die Schritte zwei, drei und vier werden fortlaufend wiederholt. Dieser Kreislauf von Erkenntnis und Handlung führt zu Veränderungen, die wirksam und anhaltend sind.

Und wer dann zwischendrin einmal innehält, wird spüren, dass er bereits an Gelassenheit dazugewonnen hat.