Am Ende des Tages …

23. Juli 2020

Am Ende des Tages …

… ist eine beliebte Redewendung geworden. Oft sagt sie jemand, um zu verdeutlichen, was aus seiner Sicht getan, gezahlt, geleistet werden muss, um das höhere Ziel zu erreichen. Ich höre dann auch einen erhobenen Zeigefinger. Immer häufiger gesagt ist der Spruch zur Plattitüde geworden, finde ich.

Ja, aber was ist denn am Ende des Tages wirklich da? Ich hörte vor einiger Zeit einen älteren Herrn mit nüchternem Pragmatismus knurren: „Am Ende des Tages geht die Sonne unter und es beginnt die Nacht.“ Und an den Politiker, von dem er das gerade hörte, gewandt ergänzte er: „Die Welt in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“

Für das Ende des Tages ist es eine häufige Empfehlung im Coaching, sich die Zeit und Ruhe zu nehmen, um über die vergangenen Stunden nachzudenken: Was war gut, was war schlecht? Was hatte ich vor und was konnte ich erreichen? Welche unerwartete Begebenheit hat sich ereignet und wie finde ich das?

In den Coachings kommt dann die Frage, was man denn am Abend so aufschreiben soll. Dann denke ich: ‚Sollen sollen Sie gar nichts.’ Und sage dann: „Das, was Ihnen einfällt und gefällt.“ Aber in der Tat: Am Anfang lohnt es sich, eine Struktur zu verwenden, um eine Routine zu entwickeln. Die Gestaltung erarbeite ich gerne zusammen mit den Coachees und empfehle, sich nur drei Leitfragen zu verwenden. Und – wichtig – die Antworten mit der Hand zu schreiben.

Ich persönlich mag die folgenden Überlegungen:

O   Was habe ich heute Schönes erlebt?

O   Wer hat mir heute Gutes getan?

O   Wem konnte ich heute behilflich sein bzw. eine Freude machen?

Sie merken: Es geht um den positiven und selbstfürsorglichen Blick auf den ausklingenden Tag.

Und was bewirkt das? Coachees haben mir berichtet, dass sie damit zufriedener in die Nacht gehen. Dass ihr Handeln am vergangenen Tag Struktur und Bedeutung bekommt. Vorher, ohne das Reflektieren, seien ihnen die Tage so durch die Fingen gerutscht, verbunden mit dem Gefühl, doch wieder nichts geschafft und geleistet zu haben. Wer dieses Empfinden von so vergangener Zeit lange genug vertieft, gerät leicht in die Spirale der negativen Gedanken – die medizinische Diagnose dafür ist depressive Episode.

Ein weiterer Langzeiteffekt ist, dass man in seinen Aufzeichnungen zurückblättern kann. Das vertieft die Struktur und den Sinn des eigenen Handelns und Erlebens. Und es ermöglicht das tiefere Hinterfragen des Alltags, die Reflektion über die Lebensziele. Das legt ein stabiles Fundament für ein gelassenes, sinnerfülltes und gutes Leben.