Vor ein paar Wochen fühlte ich mich so, wie dieses Bootshaus aussieht: Schief und erschöpft, es war mir alles zu viel und ich hatte keine Kraft, mich aufzurichten. Warum? Weiß ich nicht. Eine körperliche Erkrankung verspürte ich nicht. Ich schiebe sowas wahlweise auf das Wetter oder auf meinen Corona-Stress – die Pandemie ist das neue Allzweck-Argument. Die Erschöpfung ging so zwei bis drei Tage, dann wurde mir besser.
„Ach, das kenne ich“, sagen manche Klienten, “ das geht mir ständig so.“ Sie wissen keinen Weg, als sich weiter durchzubeißen. Und sie sind damit weder glücklich noch zufrieden. Manche waren sogar beim Hausarzt, der aber alle Untersuchungswerte als tiptop einschätzte.
Was also ist das, wenn man sich über längere Zeit so fühlt, wie das Bootshaus aussieht? Ich halte es für ein Symptom für Dauerstress. Es kann auch auf eine depressive Episode hinweisen, hier hilft der Arzt weiter, auch mit Medikamenten.
Wer diese und andere Hinweise auf Dauerstress bemerkt und nicht mehr so weitermachen will, der sollte sich detektivisch auf die Suche nach den Ursachen begeben.
Der erste Schritt dieser Suche besteht darin, die Situationen zu erkennen, in denen Sie Stress empfinden. Beobachten Sie genau, wann Ihre Stress-Symptome auftreten, wo Sie gerade sind, wer außen Ihnen noch dabei ist und was genau geschieht.
Schritt 1: Situation
<> Wann?
<> Wo?
<> Wer?
<> Was geschieht?
Im zweiten Schritt geht es um Ihre Bewertungen. Wie Sie die Situation bewerten. Wie Sie Ihr Verhalten und das der anderen bewerten. Welche Erwartungen Sie an sich und an die anderen haben. Und welche Befürchtungen Sie haben.
Schritt 2: Bewertungen
<> Wie ist meine Bewertung der Situation, meines Verhalten, des Verhaltens anderer?
<> Welche Erwartungen habe ich an mich, welche an andere?
<> Welche Befürchtungen habe ich?
Und nun, im dritten Schritt, beobachten Sie genau Ihre Reaktionen. Wie sich Ihr Körper meldet. Welches Gefühl Sie spüren (es kann Angst, Ärger, Abneigung, Scham, Trauer oder Niedergeschlagenheit sein, vielleicht auch Zuneigung oder Freude). Und was Sie sagen und tun.
Schritt 3: Reaktionen
<> Was spüre ich körperlich?
<> Welche Gefühle habe ich?
<> Was sage ich, was tue ich?
Und nun? Vermutlich haben Sie bei Schritt 2 einige Bewertungen gefunden, die nicht so ganz klasse sind. Schauen Sie genau hin: Ist das, was Sie denken, wirklich passend? Ist es wahr, oder ist vielleicht auch das Gegenteil möglich? Glauben Sie nicht alles, was Sie denken. Prüfen Sie es, denn sicher gibt es mehr als eine Sichtweise auf dieselbe Situation. Die Alternativen gilt es genauer zu betrachten.
Denn immer, wenn sich deutliche Emotionen und unangenehme körperliche Reaktionen zeigen, haben Sie eine Aufforderung erhalten, etwas zu verändern. Und zwar so, dass es besser als die bisherige Bewertung zu Ihren wirklichen Zielen passt. Es geht also um nichts Geringeres als so zu werden, wie Sie sein möchten.
PS: Meiner Erschöpfung bin ich so auch auf den Grund gekommen: Ich hatte zu viel und alles gleichzeitig und ohne Pause gemacht. Mich verbissen und es nicht gemerkt. Mein Körper wies mich mal wieder darauf hin. Tolle Sache, einen so schlauen Körper zu haben.